Mit einer vom Pianisten Rainer König-Hollerwöger in seiner linken Hand rhythmisch angeschlagenen Glocke wurde ein außergewöhnliches Kulturereignis in der ehemaligen kaiserlichen Stadt Bad Ischl eingeläutet. Es entwickeltes sich, mit seiner rechten Hand mehrstimmig spielend, auf dem Bösendorfer Konzertflügel ganz sphärisch der „Jainzner Jodler“. Das Klavier wurde zum Gesang. Sich verwandelnd in immer weitere Tonarten wie auf einem Landschaftsgemälde gestaltete der Kenner der Folklore des Salzkammerguts bewegte Tänze bis zu jenem Moment, als er in geradezu meditativer Weise an den gerade erst plötzlich verstorbenen begeisterten „Volksmusikanten“ und ehemaligen Vizebürgermeister von Bad Ischl, Josef Reisenbichler und die verstorbene Besitzerin der Konditorei Zauner hinwies. Es verwandelte sich der „Jainzner Jodler“ in eine melancholische, ja gebetsartige, lyrische Musik, die sich dann umso kräftiger zu strahlenden Klängen entfaltete. Bereits hier kam der virtuose Zug des in Gmunden geborenen Wiener Künstlers, Forschers und Historiker zum musikalischen Vorschein.
Die Psychotherapeutin, Psychologin und Psychoanalytikerin Dr. Christine Arwanitakis, leitete mit ihren Worten die Veranstaltung sprachlich ein. Sie wies auf den breiten interdisziplinären Arbeitsbereich von IPS-WIEN, dessen Präsident Rainer König-Hollerwöger ist, hin im Hinblick auf die Traumatisierung von Kindern.
In berührender und sehr direkter Weise sprach der Bad Ischler Bürgermeister Hannes Heide von der Verantwortung seiner Stadt gegenüber der Behandlung und Vertreibung jener Menschen, die, wie Erika Bezdíčková ins Konzentrationslager deportiert wurden. Er dankte Frau Erika – genauso wie Rainer König-Hollerwöger, dass sie nach Bad Ischl gekommen seien, um hier diese Veranstaltung durchzuführen. Es sei ihm diese Veranstaltung ein großes Anliegen. Eine Veranstaltung wie diese Buchpräsentation in Bad Ischl habe deswegen große Bedeutung: zum einen, weil Gelegenheit Zeitzeugin erleben zu dürfen und zum anderen die Bad Ischler Geschichte 1938 eine große Zäsur erfahren hätte, da das jüdische Leben und jüdisch geprägte Kultur in der Stadt zu Ende gegangen war. Es sei notwendig, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, Verantwortung einer Stadt, Geschichte aufzuarbeiten und Bewusstsein zu schaffen. Das ist Grundlage für nachhaltige Entwicklung einer Stadt. Es gebe Viele Bemühungen in Bad Ischl: Veröffentlichungen, Veranstaltungen – wie eben diese eben. Daher der Dank an Rainer König-Hollerwöger für die Organisation dieses Abends. Herzlicher Dank an Erika Bezdicková, dass sie nach Bad Ischl gekommen ist.
In seiner Ansprache hob Rainer König-Hollerwöger die Holocaust-Überlebende hervor und dankte ihr und seiner langjährigen Kollegin für deren Moderation. Es gehe dem von ihm mitbegründeten europaweit agierenden Institut IPS-WIEN – so der studierte Kulturphilosoph und Komponist Rainer König-Hollerwöger – kulturelle Brücken auch dort zu errichten, wo es Licht und Finsternis gebe. Auch im Bewusstsein der unfassbaren Situation des Holocaust gilt es dem gegenwärtigen Antisemitismus da und dort zu begegnen, wobei dieser gesellschaftlich verschiedene Masken haben könne.
Die Holocaust-Überlebende Bezdíčková, die als knapp dreizehnjähriges Mädchen mit ihren dort ermordeten Eltern ins KZ Auschwitz – Birkenau deportiert worden war, wies darauf hin, dass sie zwei Diktaturen, den Nationalsozialismus und den Sowjetkommunismus erlebt hätte. Es sei keine Diktatur anzustreben! Vor Österreich hätte sie lange Zeit eine Angst gehabt, weil die Österreicher sich als Opfer von Hitler darstellten, obwohl diese selbst deren Hände zum Gruß erhoben hatte. Trotz der besonders großen sommerlichen Hitze sprach Frau Erika Bezdíčková mit ihrer sonoren Stimme in ihrem besonderen Deutsch über das, was ihr im KZ- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau widerfahren ist, was sie sah.
Diese Atmosphäre zwischen Leben und Tod inspirierte Rainer König-Hollerwöger dazu, eine Komposition für Streichorchester des Bad Ischler Komponisten Josef Ramsauer (1905.1976) anzuspielen und in seiner fugalen Mehrstimmigkeit weiterzuentwickeln. Inspiriert wäre Ramsauer, der Begründer des Bad Ischler Heimatvereins, beim Lesen des mittelalterlichen Buches „Ackermann aus Böhmen“. Dahinter steckt das Thema „Der Tod und das Mädchen“. Das zügige, ja drängende musikalische Thema verkörperte auch das gerade erst 13 Jahre alt gewordene Mädchen Erika im KZ- Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Es war eine dramatische Ton- und Themensprache, sehr bewegt, die Rainer König-Hollerwöger, der in seiner Jugendzeit der letzte Schüler in Komposition und Kontrapunkt gewesen war. Sein geradezu sinfonische Klavierwerk „Paraphrase für Klavier ´Der Tod und das Mädchen“ widmet der Pianist und Autor Erika Bezdíčková, allen vom Holocaust Betroffenen und der Stadt Bad Ischl.
Rainer König-Hollerwöger stellte sein Buch „FRÜHÖLINGSERWACHEN mit ERIKA – Licht in die Finsternis des Antisemitismus“ vor. Er lässt sein historisch prägnantes und sprachlich fließendes Buch mit ein paar Sätzen aus dessen 28. Buchkapitel „Die jüdische Kultur und Religion geht uns alle etwas in der Menschheit an“ (RKH, FRÜHLINGSERWACHEN mit Erika – Licht in die Finsternis des Antisemitismus, S. 158f) antönen. Das führt ihn zu seinem Klavierwerk „Sprechmelodie“ — Johann Sebastian Bach – in Erinnerung an den Geigenvirtuosen, Dirigenten, Humanisten und Philanthropen Yehudi Menuhin (geboren 1916 in New York als Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, gestorben 1999 in Berlin. Er spielte 500 Konzerte während des Zweiten Weltkrieges und gab das Geld für Flüchtlingskinder.) – aus dem Geiste der Violine für Klavier“. Immer weiter den Sprechgesang führend kommt es zu einem zauberhaften und sehr klangvollen Stimmgewebe wie aus einer anderen Welt.
In der Rezitation der Buchstelle aus dem 21. Buchkapitel „Was ist überhaupt der Antisemitismus“ (RKH, FRÜHLINGSERWACHEN mit Erika – Licht in die Finsternis des Antisemitismus, S. 103f), sehr empathisch gelesen von Frau Christine Arwanitakis wird ein Licht darauf geworfen, dabei den vor 30 Jahren verstorbenen Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyses, zitierend, wird auf die Erzeugung des Feindbildes Jude, dessen Verfolgung bis hin zur industriellen Massenvernichtung in dem Naziterrorregime hingewiesen.
In der Diskussion kommt es auch durch eine deutsche Zuhörerin zu dem Hinweis, dass der Antisemitismus verstärkt werde durch die Zuwanderung in Europa. Der Autor und Maler Rainer König-Hollerwöger weist in seiner Antwort auf die „Maurische Kultur“ in Spanien im Mittelalter hin. Dort hätten sich in friedlicher Weise die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Moslemische wechselweise befruchtet. Der Historiker aus Wien wies auf ein Kapitel seines Buches hin, in dem er, gestützt auf einen amerikanischen Historiker, nachzuweisen versucht, dass es der Nationalsozialismus war, der ganz konkret die muslemische Welt in Hass und Hetze zum Antisemitismus gebracht hätte. Die bald 88 jährige Erika Bezdíčková hob hervor, wie es ihr wichtig wäre, gerade in Schulen über ihre Erfahrungen totalitärer Staaten zu sprechen. Ja es erinnere sie die Gegenwart an die „Dreißigerjahre“ des vorigen Jahrhunderts. Es fange langsam an und gehe dann schnell weiter. Außerdem hätte sie im KZ und Vernichtungslager Auschwitz – Birkenau als „Wärertinnen“ hauptsächlich Österreicherinnen erlebt. Sie hatte auch lange Zeit eine Angst für Österreich.
In seinem Klavierwerk „Orchestrale Variationen und FUGA AETERNA MOSES“ über „Shalom chaverim“, ein Volkslied aus Israel, entfaltet Rainer König-Hollerwöger eine Tonsprache, die ihn sowohl in die Sphäre hebräischer Kultur und Religion führt als auch in eine sehr bewegte Mehrstimmigkeit.
Der Thomas Bernhard Forscher Rainer König-Hollerwöger tauchte mit ein paar Stellen seines Theaterstückes „Heldenplatz“ von dem vor 30 Jahren verstorbenen Schriftsteller und Dramatiker Thomas Bernhard ein sein letztes Klavierwerk ein mit dem Hinweis, dass jener bekannte Autor, der in Gmunden oft lebte und auch dort gestorben war, einen tiefen Bezug zur Musik hatte, ja seine Werke quasi von ihm „komponiert“ worden wären.
In vom Publikum begeistert aufgenommenen Weise verwandelte der virtuose Pianist König-Hollerwöger das erste Präludium des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach zu einem mehrstimmigen sinfonischen Werk.
Das Publikum war von der gesamten europäischen Veranstaltung tief berührt und widmete sich dem Gespräch danach bei einem reichhaltigen Buffet, das von IPS-WIEN geboten wurde. Auf der Bühne standen vor dem Tisch zwei Ölgemälde des Autors. Eines ist ganz der jüdischen Kultur und den Impulsen von Moses und auch dem Holocaust-Erinnern gewidmet. Das andere nennt sich „KAISERIN ERINNERN ERIKA BAD ISCHL 2019“ und weist auf einen Tempel hin. Für den Autor und die Holocaust-Überlebende ist der Bau der Trinkhalle mit seinen korinthischen Säulen ein Symbol für den Tempel von Jerusalem und den griechischen Tempel