2003 hat die UNESCO das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beschlossen, 2009 wurde das Übereinkommen von Österreich ratifiziert und die Österreichische UNESCO-Kommission mit der nationalen Umsetzung des Übereinkommens und der Erstellung eines Österreichischen Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes betraut. Seither wurden mehr als 60 Traditionen und Bräuche in das österreichische Verzeichnis aufgenommen, darunter 14 aus Oberösterreich.
Was versteht man unter Immateriellem Kulturerbe?
Mit dem Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes werden lebendige Kulturformen, die auf menschlichem Wissen, Können und Handfertigkeiten sowie auf gewachsenen Traditionen beruhen, vor den Vorhang gehoben.
Diese Traditionen werden folgenden Bereichen zugeordnet:
- mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Trägerin des immateriellen Kulturerbes,
- darstellende Künste,
- gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste,
- Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum und
- traditionelle Handwerkstechniken.
In das österreichische Verzeichnis wurden folgende Traditionen aus Oberösterreich bisher aufgenommen:
- Ebenseer Fetzenzug
- Ebenseer Glöcklerlauf
- Hinterglasmalerei in Sandl
- Innviertler Landler
- Lichtbratlmontag in Bad Ischl
- Pechölbrennen im östlichen Mühlviertel
- Rudentanz in Sierning
- Salzkammergut Vogelfang
- Windischgarstner Niglo Umzug
- Wirlinger Böllerschützen.
In der letzten Fachbeiratssitzung am 19. März 2014 wurde die Aufnahme von vier weiteren Bräuchen aus Oberösterreich beschlossen:
- Traunkirchner Mordsgschicht
- Liebstattsonntag in Gmunden
- Erzeugung der Mollner Maultrommel
- Aberseer Schleuniger (Oberösterreich und Salzburg)
Die Traunkirchner Mordsgschicht
Die älteste Aufzeichnung der Traunkirchner Mordsgschicht stammt aus dem Jahr 1912, wobei diese Tradition schon länger existieren soll. Es handelt sich dabei um einen musikalischen Vortrag im Stil des Moritatengesanges. Ursprünglich im ganzen Salzkammergut verbreitet, wird dieser Brauch heute nur mehr in Traunkirchen praktiziert. Am Faschingssonntag ziehen die Sänger in Frack und mit Zylinderhut begleitet von Gasthaus zu Gasthaus und präsentieren heitere Begebenheiten der Dorfgemeinschaft des vergangenen Jahres. Die Lieder werden mit Gitarre begleitet und auf Bildtafeln Karikaturen zu den jeweiligen Geschichten gezeigt.
Die Aufnahme in das österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes wurde vom Fachbeirat einstimmig beschlossen. Die Begründung ist klar und eindeutig:
Die Tradition der Traunkirchner Mordsgschicht ist eine mehr als 100 Jahre alte Form des gesungenen „Faschingsbriefes“ in Moritatenform, als alte Form europäischer Faschingsbräuche. Es ist eine Form der „sozialen Kontrolle“ und des integrativen Zusammenschlusses. Die Tradition ist ein Identifikator für den ganzen Ort. Sie wird jährlich anlassbezogen im tradierten Rahmen neu gestaltet. Das Bemühen um political correctness bei den Moritaten ist zu bemerken.
Liebstattsonntag wurde immaterielles Kulturerbe
Aus den Bereichen Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste wurde auch der Gmundner Liebstattsonntag von der Österreichischen UNESCO-Kommission zum Immateriellem Kulturerbe ernannt. Der Ursprung dieses Brauches wird in der 1641 in Gmunden neu aufgerichteten „Corpus Christi Bruderschaft“ gesehen, die bis ins 18. Jahrhundert Bestand hatte und deren Aufgabe es war das religiöse Leben in der Stadt zu vertiefen.
Einmal jährlich, am vierten Fastensonntag, wurde von dieser Bruderschaft eine Versammlung abgehalten und dabei das Gelöbnis der Glaubenstreue und der brüderlichen Liebe, das „Liabb´státt´n“ (Liebe bestätigen), erneuert. Im Laufe der Zeit wandelte sich dies zu einem Liebe abstatten. Der Liebstattsonntag in Gmunden wird heute noch jedes Jahr am vierten Fastensonntag begangen. Die beiden Trachtenvereine von Gmunden, sowie die Goldhauben- und Kopftuchgruppe, treffen sich um neun Uhr zum Kirchgang in die Stadtpfarrkirche. Im Anschluss daran formiert sich ein Festzug mit Musikkapelle, der zum Rathausplatz marschiert. Nach einer kurzen Begrüßung und Erklärung des Brauchs verschenken die Vereinsmitglieder verzierte Lebkuchenherzen an die Bevölkerung und Gäste.
Der Ursprung des gegenreformatorischen Brauches ist wohl eine durch den Passauer Bischof 1641 erfolgte Bestätigung der bis Ende des 18. Jahrhunderts in Gmunden nachweisbaren „Corpus-Christi-Bruderschaft“, die am Sonntag Lätare ihre Jahresversammlung abhielt und deren Mitglieder einander brüderliche Liebe gelobten. Es wird vermutet, dass spätestens mit der Auflösung der Bruderschaft der Brauch seine religiösen Wurzeln endgültig verlor, denn in einem 1846 erschienenen Büchlein über Ischl und Umgebung liest man, dass an diesem Tag in Gmunden alte Liebe aufgesagt oder durch ein Geschenk und ein Glas Met für ein weiteres Jahr bestätigt wurde. Pater Amand Baumgarten schreibt 1860 in seiner oberösterreichischen Brauchmonographie, dass der Sonntag Lätare oder Mitfasten in Gmunden als der ‚Liebstattsonntag’ gilt, „wo die Liebenden einander bstatn, an verabredeter Stätte treffen.
Die Burschen führen die Mädchen zu Lebkuchen und Met.“ Daran scheint sich bis in die beginnende Zwischenkriegszeit wenig geändert zu haben. Nach einer kurzen Phase stieg nach Ende des Zweiten Weltkrieges das Interesse und das „Liebe abstatten“ in Form eines verzierten Lebkuchenherzens nahm wieder eine wichtige Rolle in der Bevölkerung ein.
Schon einige Wochen vorher werden die Liebstattherzen selbst gebacken und verziert oder bei den Gmundner Konditoren gekauft – wobei ein Teil dieser für die Vereine kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Am Festtag treffen sich die Vereine, alle in Ihren Vereinstrachten (Fest‑, Jung‑, Bürgertracht und Goldhaube, sowie Kopftuch, Schwammerl- und Salzträgertracht) zum Kirchgang in die Stadtpfarrkirche, wo seit dem Jahre 1977 mit einigen Ausnahmen, die „Bauernmesse“ gesungen wird. Im Anschluss daran formiert sich ein Festzug, voran abwechselnd die „Stadtkapelle Gmunden“ oder die „Werkskapelle Laufen Gmunden Engelhof“, um gemeinsam auf den Rathausplatz zu marschieren.
Nach der Begrüßung durch die „Stadtväter“ und einer kurzen Beschreibung des Brauches durch den Obmann der „Traunseer“, werden die mitgebrachten Herzen verschenkt bis die Körbe leer sind. Der Trachtenverein „Traunseer“ besucht seit ungefähr 1977 auch die Krankenhäuser, Altenheime und soziale Einrichtungen der Stadt, um dort an Patienten, Personal und Bewohner Liebstattherzen zu verschenken. Diese werden von der Stadtgemeinde und der Ferienregion Traunsee zur Verfügung gestellt. Seit dem Jahre 2009 werden auch die Volksschulen besucht, um den Kindern den Brauch näher zu bringen.
Herzlichen Dank für die Korrektur.
Margarete Wolfsgruber
Trachtenverein “Traunseer”
Ich würde Sie bitten, bei der Überschrift dieses Berichtes auf die richtige Formulierung zu achten. Im Schreiben der Öst. UNESCO-Kommission wurden wir extra auf die Begriffsunterscheidung immaterielles Kulturerbe und Weltkulturerbe aufmerksam gemacht. Das UNESCO-Welterbe basiert auf der “UNESCO Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes (Baudenkmäler, Stadtensembles und Kulturlandschaften)der Welt” von 1972. Das immaterielle Kulturerbe ist eine Ergänzung dazu. Die Beschreibung im Bericht selbst ist korrekt. Vielen Dank
Margarete Wolfsgruber
Trachtenverein “Traunseer”