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Bürgermeisterempfang im Rathaus mit der Holocaust-Überlebenden Erika Bezdíčková

5. Dezember 2017
in Gmunden
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Bürgermeisterempfang im Rathaus mit der Holocaust-Überlebenden Erika Bezdíčková
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Bereits in seiner Grußbotschaft, verlesen durch Herrn Bürgermeister Mag. Stefan Krapf, wies der Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer auf dieses „so wichtige und bewusstseinsbildende Kooperationsprojekt“ von IPS-WIEN und dessen Präsident Mag. Dr. Rainer König-Hollerwöger und dem Bundesgymnasium Gmunden mit seinem Direktor Mag. Dr. Rainer Leitner und Mag. Ulf Kessel, der Geschichte, Religion und Ethik im BG Gmunden unterrichtet, in der Vorweihnachtszeit hin.

Wie der Landeshauptmann verdeutlicht, sollen „Erinnerung und Gedenken gerade in der besinnlichen Adventzeit ihren Platz finden: Denn wann immer die Rede vom Frieden ist, dürfen wir niemals vergessen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist, sondern etwas, woran nicht nur täglich gearbeitet werden muss, ob im Einzelnen, in der Familie, in der Gruppe oder als Gesellschaft, sondern dass Frieden auch etwas ist, wofür mitunter gekämpft werden muss.“
Landeshauptmann Stelzer macht deutlich, dass „im Herzen Europas …  im vergangenen Jahrhundert die beiden furchtbarsten Kriege der Geschichte“ begannen.

So wie Landeshauptmann Thomas Stelzer dankte auch der Gmundner Bürgermeister Mag. Stefan Krapf der Holocaust-Überlebenden Frau Erika Bezdíčková und dem in Gmunden geborenen und mit Gmunden stark verbundenen Wiener Kulturschaffenden, Forscher und Künstler Rainer König-Hollerwöger für ihr Kommen! Dem schloss sich der Herr Direktor Mag. Dr. Rainer Leitner des Gymnasiums in der Traunseestadt an.

Bürgermeister Stefan Krapf, Rainer König-Hollerwöger und Erika Bezdíčková

 

Die sehr bewegten, vom vorweihnachtlichen Traunsee inspirierten Klänge des Pianisten und Komponisten Rainer König-Hollerwöger kündigten bereits die in dieser außergewöhnlichen Schulveranstaltung durch eine der in Tschechien bekanntesten Holocaust-Überlebenden zu erzählenden Dramatik der NS-Vergangenheit und das damit verbundene unendliche Leid an. Durch sie hindurch funkelte auch ein Hoffnungsschimmer, der sich nahenden Weihnachtszeit. Es war ein wirkliches „Advenio“, ein Herankommen, sich Nähern an die Vergangenheit und die Zukunft. Der Frau Erika seit zehn Jahre immer wieder intensiv begleitende Sozialforscher und Kulturphilosoph stellte in seinen einleitenden Worten die neben ihm sitzende Holocaust-Überlebende Erika Bezdíčková in den Mittelpunkt seines Mitfühlens und historisch prägnanten Forschens. Er versuchte den 180 Schülerinnen der neun Klassen der Oberstufen anschaulich zu machen, was es bedeutet mehr als fünf Stunden von Brno mit dem Auto nach Gmunden zu fahren, um hier als Zeitzeugin da zu sein, vor und mit ihnen zu sprechen.

Frau Erika Bezdíčková stand dann trotz ihrer Gehbeeinträchtigung auf, stütze sich an den Tisch und erhob ihre so markante sonore Stimme. Es war aufmerksame Stille. Sie widmete ihre Ausführungen vorerst den geschichtlichen Hintergründen, wie es zu der „Wannseekonferenz“ und den damit verbundenen so genannten „Nürnberger Gesetzten“ gekommen war, als der Naziterror die Juden, die ja, wie Erika charakterisierte, in der Sicht eines Hitlers und seiner Anhänger an „allem in der Welt schuld waren. Sie warnte davor, nicht auf Menschen in der Politik hereinzufallen, die einem eine bessere Welt versprechen. Derzeit habe sie ein Gefühl in der Gegenwart wie in den Dreißigerjahren, als sie selbst ein Kind war. Als jüdisches Mädchen wuchs sie in der Slowakei in den Sprachen Slowakisch, Deutsch und Ungarisch auf. Nach sieben Klassen Schule durfte sie nicht mehr in die Schule gehen. Sie spreche am liebsten mit den Schülern und Schülerinnen und Studenten und Studentinnen über ihre Vergangenheit.

Sie stand als gerade einmal dreizehn Jahre alt gewordenes Mädchen an der Rampe im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, als der NS-Arzt Dr. Mengele, der auch als „Todesengel“ bezeichnet werde. Dieser bestimmte, wer leben und wer nicht leben durfte! Ihre Mutter hätte ihr auf ihrer gemeinsamen Deportation mit ihrem Vater gesagt, sie solle auf die Frage wie alt sie sei, sagen „SECHSZEHN“. Das hätte auch Erika getan. Daraufhin deutete Dr. Mengele Erika auf die Seite des Lebens und deren Eltern auf die andere Seite, die Seite des Todes. Ihre Mutter hoffte, mit ihrem Kind beisammen bleiben zu dürfen. Wie Frau Erika Bezdíčková weiter erzählte, musste sie mit anderen in das Brausebad mit wirklichem Fließwasser und ihre Eltern in das „Brausebad“, aus dessen Hahn das tödliche Gift „Zyklon B“ sprühte. Etwa eine halbe Stunde hätte es gedauert, bis die dort Hineingetriebenen ermordet waren.

Links außen Inge Ebner, Stadträtin Johanna Bors (2. von li), Erika Bezdíčková (3. von li), Rainer König-Hollerwöger (4. von li) Bürgermeister Stefan Krapf (3. von re), Purgi Hitzenberger (2. von re), Bezirkshauptmann Alois Lanz (1. von re)

Alles lauschte den Worten über das ungeheuerliche Erleben und Erleiden der Holocaust-Überlebenden. Dass diese als vierzehnjähriges Mädchen mutterseelenallein durch Europa von Prag bis nach Rumänien auf der Straße gewandert war, erschütterte die jungen und auch erwachsenen ZuhörerInnen in diesem Fest- und Turnsaal des Gymnasiums Gmunden. Niemanden mehr von ihrer eigenen Familie zu haben und zu treffen, wäre für das Kind Erika das Schrecklichste gewesen. Sie selbst war sehr früh schwanger und bekam mit sechzehn Jahren ein Kind. Es war ein Sohn. Sie bekam mit ihrem ersten Mann noch eine Tochter. Deren junger Vater hatte eine Kariere in einem Ministerium im staatskommunistischen Regime der Tschechoslowakei. Eines Tages sagte er Erika, dass seine Karriere von Zionisten gestört werde. Erika sei auch eine Zionistin, Jüdin. Deshalb müsse sie ihm ihren gemeinsamen Sohn überlassen und ihre gemeinsame Tochter mit sich nehmen. Wenn sie dem nicht zustimme, dann würde er ihr beide Kinder wegnehmen. Das war für Erika ein weiterer Schock, wenn einem als Mutter das Liebste, das eigene Kind, entrissen werde. Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr hatte sie ihren geliebten Sohn nie mehr gesehen! Auch das kommunistische Regime war antisemitisch, also gegen Juden.

Danach entschloss sich Rainer König-Hollerwöger, gleich im Hinblick auf Advent und die von Erika so geliebte und für sie geistig stets gegenwärtige Mutter, das alte Marienlied „Maria durch den Dornwald ging“ in jene Muttersuche von Erika umzuwandeln. Der Präsident von IPS-WIEN und Künstler, der seit zehn Jahren bei den Salzkammergut-Festwochen als Autor, Pianist und Maler mitwirkt, verlieh dem alten bekannten Adventlied innigen Ausdruck, ja die von ihm einzeln und mehrfach orchestral paraphrasierten Stimmen waren wie Rufe des Kindes Erika nach ihrer Mutter. Es war Erikas Mutter selbst, die über den Adventhimmel zieht und ihre Tochter tröstend in ihren Arm nimmt, ja unter ihrem Herzen trägt. Die Schüler und Schülerinnen und Erika selbst waren sichtlich berührt von dieser Musik. Es war der Beginn eines erweiterten Advents des Suchens, Mitfühlens und Mitteilens.

Nach dieser feierlichen und besinnlichen Schulveranstaltung kamen Schülerinnen zu der ihre Bücher signierenden Erika und stellten noch sehr persönlichen Fragen an sie. Sie waren sichtlich sehr bewegt. Ein Schüler hatte sie gefragt, ob sie auch noch die in ihre rechte Hand eingravierte Nummer vom KZ Auschwitz habe. Sie zeigte ihm ihre rechte Hand. Denn sie wurde bei ihrer Ankunft im KZ Auschwitz gezwungen, so wie alle anderen auch, sofort sich nur mehr unter ihrer Nummer zu melden. Ihr persönlicher Name wurde gelöscht.

Den Abschluss bildeten musikalisch Verwandlungen des „Sonnenpraeludiums“ von Johann Sebastian Bach, die Rainer König-Hollerwöger vorerst in lieblicher Weise antönen hat lassen. Auch in diesem Klavierwerk flossen Dramatik, Verzweiflung und auch vorweihnachtliche Hoffnung auf Frieden und Liebe zu einer sinfonischen Klangsphäre zusammen. Es war wie das Entzünden der ersten Kerze am Adventkranz.

Fotos: Stadtgemeinde Gmunden

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