1827 schrieb Carl Friedrich Zelter an seinen Freund Johann Wolfgang Goethe: „Könnte ich Dir an einem glücklichen Tage (denn das gehört dazu) eine von S. Bachs Motetten zu hören geben, im Mittelpunkte der Welt solltest Du Dich fühlen.“
Unter Musikern und Kunstliebhabern sind sie gleichsam bewundert und gefürchtet, die hochgerühmten Motetten des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach, sind sie doch ebenso virtuos wie ausdrucksstark, verlangen nach Transparenz und Kraft gleichermaßen und fordern den SängerInnen ein Höchstmaß an Präsenz und Konzentration ab.
Musikfreunde haben nun die seltene Gelegenheit am 13. August um 20 Uhr in der Basilika Mondsee zwei der sechs Motetten Bachs zu erleben: „Fürchte Dich nicht, ich bin bei Dir“ BWV 228 und „Singet dem Herrn ein neues Lied“ BWV 225, die beiden großen doppelchörigen Motetten spannen den Bogen von Mut und Trost zu Jubel und Freude und eröffnen die Woche der BachZeit in der Basilika Mondsee.
Hätte sich Johann Sebastian Bach nicht immer wieder der Motette zugewandt, einer Form, die zu seiner Zeit bereits schon lange ihren Zenit überschritten hatte, wer weiß, ob Bach in unserem Musikleben heute so verankert wäre? Denn die Motetten waren es, mit deren Hilfe Carl Friedrich Zelter in seiner Berliner Singakademie die Bachpflege lebendig hielt und so war Felix Mendelssohn Bartholdy (der die große Bach-Renaissance im 19. Jahrhundert einläutete) mit der Musik des Thomaskantors in Berührung gekommen.
Dabei hatte der Thomaskantor nur ausnahmsweise zur Feder gegriffen, um selbst eine Motette zu schreiben, da dies nicht zu seinen Amtspflichten gehörte. Nur wenn ein verdienter Leipziger Bürger zu Grabe getragen wurde, war es für Bach Ehrensache (und eine Quelle zusätzlicher Einkünfte), sich mit einer eigenen Motette hervorzutun. „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir” ist eine dieser Begräbnismotetten. Zwei Bibelverse aus dem zweiten Teil des Jesaja-Buches geben den Duktus vor: „Fürchte Dich nicht, ich bin bei Dir“ und „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset“ Trost, Hoffnung und Vertrauen verdichtet Bach musikalisch in seiner doppelchörigen Anlage.
Ob auch „Singet dem Herrn“ anlässlich eines Begräbnisses entstanden ist, wird bezweifelt. Vielleicht ist sie auch als Neujahrsmotette entstanden: der freudige Jubel und das vielfältige Gotteslob, das in einer atemberaubenden, virtuosen Fuge endet, alles signalisiert Leben und die Freude an der Schöpfung. „Singet dem Herrn“ gilt als Glanzstück unter den Motetten: Der prominenteste Zuhörer in der langen Aufführungsgeschichte war Mozart, dem man bei seinem Besuch in Leipzig 1789 eben diese Motette vorsang. Er soll sich danach auf den Fußboden gesetzt und die Chorstimmen um sich verteilt haben, um den Kontrapunkt zu studieren.
Das Programm wird ergänzt durch das Konzert für Cello A‑Dur von Bachs berühmtesten Sohn Carl Philipp Emanuel, das im Spannungsbogen von lebendiger Virtuosität bis zur Melancholie eine Brücke spannt zwischen den beiden Motetten des Vaters Bach.
Am 13- August muszieren in der Basilika Mondsee unter der Leitung von Gottfried Holzer-Graf das Vokalensemble St. Michael Mondsee und das Vocalensemble Salzburg Barock (Ltg Hans-Josef Knaust) sowie das Consortium Lunaelacense (Solistin Beatrice Holzer-Graf) und setzen damit die fruchtbare Zusammenarbeit nach dem gelungenen Projekt von Monteverdis Marienvesper fort.
Zum fünften Mal: BachZeit im August
Tägliche Abendmeditationen vom 15.–19. August 20h
Zur Ruhe kommen mit Musik und Gedanken zum Nachdenken: Die sommerliche BACH ZEIT ist inzwischen zum sommerlichen Fixpunkt in der Basilika Mondsee geworden. Nach dem erfreulichen Besucherzuspruch der letzten Jahre werden heuer zum fünften Mal ab dem Fest Mariae Himmelfahrt lang täglich erstklassige Musiker und Musikerinnen jeweils eine halbe Stunde lang Werke von Johann Sebastian Bach abseits vom Sommertrubel in der abendlichen Ruhe der Basilika musizieren.
Die Geigerinnen Berengère Le Boulair, Rahel Sögner und Franziska Strohmayr, die Cellistin Anne Keckeis, das Trio Holzer-Graf und natürlich Gottfried Holzer-Graf an der Orgel widmen sich ganz der Musik Bachs. Sie sind herzlich eingeladen, vom 15. bis 19. August jeweils um 20h die Musik als Auszeit vom Alltag, als Besinnung und Fokussierung auf die göttliche Ruhe zu erleben. Der Eintritt ist frei, die freiwilligen Spenden kommen den Musikerinnen zugute, die auf die Gage verzichtet haben.
Foto: privat