Baukultur ist auch in Ebensee im wahrsten Sinne des Wortes mehr als nur Fassade. Zum schrittweisen Verlust der historischen Bausubstanz sind Themen wie die zunehmende Verkehrsbelastung und eine immer weiter voranschreitende Bodenversiegelung aktueller denn je. Wie geht Ebensee in Zukunft mit diesen Themen um und wie soll sich die Traunseegemeinde in Zukunft baulich weiterentwickeln? In einem in Oberösterreich bisher einzigartigen themenbezogenen Agenda 21 Prozess wird in den nächsten Monaten gemeinsam mit den Bürger*innen an eigenen Baukultur-Richtlinien gearbeitet.
Gemeinsam mit dem Naturraum und sozialen Einrichtungen (wie Wirtshäusern, Treffpunkten, der Feuerwehr, Kino, etc.), Brauchtümern und Traditionen ist Baukultur ein wesentlicher Faktor für die lokale Identität einer Gemeinde. Ebensee hat – unter anderem geprägt durch die historisch gewachsenen “Widersprüche” zwischen Industrieort, Postkartenidylle, Landwirtschaft und Sommerfrische — ein sehr reiches baukulturelles Erbe, wie zB historische Arbeiterhäuser. Immer mehr dieser architektonisch bedeutsamen Gebäude fielen jedoch einer oberflächlich modernen Bebauung zum Opfer. Verbunden damit sind wie in jeder anderen Gemeinde auch ökologisch bedenkliche Entwicklungen wie zunehmende Bodenversiegelung oder eine zunehmende Verkehrsbelastung.
Offensichtlich wurde das u.a. im Herbst 2020, als das 400 Jahre alte Wirtshaus “Emseea” abgerissen wurde und nun durch Reihenhäuser ersetzt wird. Innerhalb kürzester Zeit wurde eine Petition zum Erhalt dieses historischen Gebäudes von fast 2000 BürgerInnen unterschrieben. Auch wenn dieser Appell letzten Endes erfolglos verhallte, war er doch ein Impuls, sich nun vertieft mit einem nachhaltigen und sensiblen Umgang mit den baukulturellen Besonderheiten in Ebensee zu beschäftigten.
Architekturspaziergänge, Gemeinderatsklausur und erste Umfrage-Ergebnisse
Im September startete – einstimmig vom Gemeinderat befürwortet — ein in Oberösterreich bisher einzigartiges Agenda 21 Projekt, in dem die Bevölkerung, die Politik und Experten gemeinsam eine lokale Strategie für eine nachhaltige Baukultur erarbeiten. Die Baukultur-Richtlinie wird Handlungsanleitungen für Verwaltung, Politik und BauwerberInnen zu Themen wie Qualitätssicherung, Ortsbild oder Raumgestaltung sowie konkrete Baukulturrichtlinien enthalten.
Startpunkt war unter anderem ein gut besuchter Architekturspaziergang, der sich mit einer Reihe von markanten, baukulturell und raumplanerisch interessanten Gebäuden und Orte auseinandersetzte. Dazu wurde ein umfassendes Booklet verfasst, das Hintergrundinformationen und auch bildhafte Vergleiche von Gebäuden im zeitlichen Verlauf präsentiert (siehe QR-Code). Der Folder liegt auch am Gemeindeamt zur freien Entnahme auf. Erweitert wurde das Booklet mit einem Audioguide, der per QR-Code über das Handy abgerufen werden kann und so das alleinige Nachwandern der Route ermöglichen soll.
Gleichzeitig wurde eine Online-Umfrage zum Thema Baukultur durchgeführt, die bereits spannende Ergebnisse zum Vorschein brachten. Während die Ebenseer zwar mit der Lebensqualität im Allgemeinen sehr zufrieden sind (im Schnitt mehr als 7 von 10 möglichen Punkten), wird das Ortsbild und bauliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte nur knapp über 3 Punkten bewertet. Dazu passt, dass 83 Prozent der Befragten es begrüßen würde, wenn es mehr Vorgaben zur gestalterischen Qualität im Baubereich geben würde. Ein weiteres wichtiges Thema für die Bürger*innen ist die Beruhigung des Verkehrs (73%) bzw. der Erhalt historischen Gebäuden (95%).
Anfang November wurde die Bürgerbeteiligung Corona bedingt eingebremst. Im neuen Jahr geht’s dann sobald wie möglich mit einer ganztägigen Klausur des Gemeinderats und weiteren Workshops weiter, in denen auch die Meinung der Bürger*innen wieder gefragt sein wird. Bis dahin wird versucht, die Zeit mit verschiedenen Onlineformaten zu überbrücken. Zusätzlich soll das laufende Projekt verlängert werden um damit im kommenden Jahr die Wanderausstellung des Architekturzentrum Wien „Boden für Alle“ ins Salzkammergut nach Ebensee zu bringen.

Foto: Lorenz Keiblinger

Foto: A.Zohner