Feinstes Porzellan, nicht selten mit goldenem Innenleben und immer mit filigranem Rand, geht bei Andrea Baumann schon auch einmal durch für einen schnellen „coffee to go“.
Die Keramikstadt Gmunden hat die Keramikkünstlerin Andrea Baumann zu einer Ausstellung im Raum für zeitgenössische Keramik im K‑Hof Museum eingeladen.
Andrea Baumann, eine Innsbruckerin, die seit Jahren beim Töpfermarkt in Gmunden präsent ist, versteht es auf atemberaubende Weise hauchdünnes Limoges-Porzellan und Gold miteinander zu verbinden. Ihre händisch aufgebauten Schalen lassen durch unterschiedliche Wandstärken und Transparenzen ein Spiel aus goldenem Leuchten zu. Die organischen Formen unterstreichen das haptische Vergnügen beim Verwenden dieser Schalen.
Vernissage: Sonntag, 19. Juni 2016, 11 Uhr, K‑Hof Kammerhof Museen Gmunden
Eröffnungsworte: Dr. Michael Schneditz
Dauer: bis 17. Juli 2016
Über Andrea Baumann von Ursula Philadelphy
Vintage meets irdenen Luxus, wenn ein altes Herren-Neccessaire seine wundersame und brandneue Füllung entblößt. Nämlich alles was das Herz begehrt, wenn es um einen köstlich Schluck Kaffee geht. Oder zwei. Alles da – von den possierlichen, zylindrischen Tassen, innen in strahlendem Gold, samt Unterteller selbstverständlich – bis hin zu Löffeln und Servietten. So viel Kreativität mit einer Prise Humor zum heuer ausgeschriebenen Thema „Coffee to go“ für den Töpfermarktpreis in Gmunden wurde dann auch prompt im vergangenen Sommer mit dem ersten Preis belohnt.
Das Set und sein Inhalt ist typisch für die Arbeiten von Andrea Baumann, die mit ihren Porzellankreationen den Spagat zwischen Gebrauchs- und Kunstobjekten schafft. Riesige Schalen aus zartem, cremeweißem Porzellan, ganz kleine, filigrane Pendants die innen eine glänzende Goldschicht haben, zylinderförmige Gefäße in unterschiedlichen Höhen und üppigen Variationen. Viele mit ganz zartem Goldrand und jedes einzelne Exponat mit allen anderen kombinierbar. Verwendbar für alles und genauso schön und vor allem extravagant als reines künstlerisches Objekt.
Man hat fast Angst, die Gefäße, die aus sich selbst heraus zu leuchten scheinen, zu berühren, in die Hand zu nehmen, geschweige denn sie zu benützen. Auf den ersten Blick wirken sie wie zerbrechliche Kunstwerke. Der leicht ausgefranste, wirklich hauchdünne Rand bestärkt diesen Eindruck noch. Und doch ist alles auf eine tagtägliche Verwendung abgestimmt, sind die Becher und Schalen sogar geschirrspülertauglich – wenn auch mit Einschränkungen, denn im Laufe der Zeit wird sich die Goldbeschichtung beginnen zu verflüchtigen.
Innen glasiert und außen matt – auch dieses Wechselspiel betont den filigranen Charakter, wenn man dann doch eine Schale in die Hand nimmt. Spätestens in diesem Moment beginnt der haptische Rausch und man möchte am liebsten jedes einzelne Stück in die Hand nehmen, mit den Fingerspitzen über die Oberfläche streichen und zugleich darüber nachdenken, wofür sich die manchmal fast winzig kleinen Schälchen wohl eignen könnten. Kleine Unebenheiten wirken in der matten Außenseite ebenso spannend wie im glänzenden Innen, wobei hier der Charakter der Oberfläche noch durch die allenfalls goldfarbene Glasur verstärkt und je nach Lichteinfall verändert wird.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, meint Andrea Baumann. Sie ist Keramikerin mit Leib und Seele und die ecru Porzellanserie mit Gold, die sie in den letzten Jahren entwickelt hat, beschäftigt sie schon lange. „Ich brauch ein Gefäß, das aus sich selbst heraus leuchtet“ war die Ur-Idee. Gedacht für sich selbst. Gemacht für sich selbst.
„Dann ist aber ein bisschen Gold übrig geblieben und ich hab einfach noch einige Stücke gemacht“, erzählt sie heute rückblickend über den ersten Versuch. Innerhalb kürzester Zeit waren alle Stücke verkauft.
Angefangen hat Andrea Baumann bereits mit 18 Jahren und einer Lehre in einer Keramikfachschule. Mit 23 hatte sie dann bereits eine eigene Töpferei und vertiefte ihre handwerklichen Fähigkeiten ein halbes Jahr in Kamerun. Dort lernte sie von afrikanischen Töpferinnen den Schritt weg von der Drehscheibe und wie man ein Gefäß mit der Hand aufbaut. Danach folgte ein Keramikstudium in Kiel, wo bereits die Idee des hauchdünnen Porzellans mit goldenem Innenleben entstand. Nachdem die Schalen ihre unregelmäßigen Formen ja erst im Brennofen erhalten und die Farbschattierung des Goldes „sich danach richtet, wo das Exemplar im Ofen steht“, war ihrem Professor, der an absolute Perfektion gewöhnt war, die Idee nicht genehm. Baumann verfolgte also erst einmal den Weg der absoluten Perfektion – ein Aspekt, der ihr in letzter Konsequenz auch heute noch, respektive heute wieder zugute kommt, denn auch die aktuellen Exponate zeichnet ein hohes Maß an Perfektion aus. Die unregelmäßigen Formen, das Experimentieren mit dem hauchdünnen Rand, der Wagemut und das „laisser-faire“ bezüglich der Glasur lassen zwar auf den ersten Blick Improvisation pur vermuten, in Wahrheit steckt aber Perfektion dahinter. Man ist nur die üblicherweise gegossenen Formen gewöhnt, weshalb der Arbeitsstil Andrea Baumanns oft nicht sofort richtig eingeordnet werden kann.
Nach Kiel hat Baumann zur freien Kunst gewechselt, hat ein Jahr in Island Kunst studiert, sich mit Video und Performance beschäftigt und war sehr erfolgreich. In letzter Konsequenz behielt aber die Leidenschaft für Porzellan die Oberhand. „Heute bin ich Handwerkerin mit künstlerischem Hintergrund und realisiere endlich die Idee, die ich schon vor so vielen Jahren hatte!“ Auf den Punkt bringt Baumann ihre Entwürfe, wenn sie feststellt, dass es zehn Jahre dauert bis man den Ton beherrscht: „Die ersten 10 Jahre hat der Ton mich beherrscht, dann habe ich 10 Jahre den Ton beherrscht und perfekte Gebrauchskeramik gemacht und jetzt, im 30. Jahr arbeiten wir wirklich zusammen“.
Eine riesige Schale erzählt eindrucksvoll von diesem Miteinander, hat sie doch auf einer Seite einen Schwaps, der sich wie eine Welle der Schalenmitte zuneigt und demonstriert, dass die vor dem Brand kreisrunde Form im Brennofen ihre eigenen Tendenzen entwickelte. Ein anderes, ebensogrosses Exemplar erzählt etwas anderes, sie kam mit einem schwungvollen Riss aus dem Ofen. Ein Intermezzo quasi, bei dem die Künstlerin unterlag. Sie nimmt es mit Humor.
Auch der Goldton changiert und ist nicht immer ganz bis ins letzte Detail vorhersehbar. Wie irrelevant das aber eigentlich ist sieht man, wenn man eine Serie von Schalen ineinander stellt: dann reicht die Palette von leuchtendem goldgelb bis zu rosenholzfarbenen Variationen. Mattes Gold wechselt sich mit glänzenden Schalen ab, die ein ganz eigenes Spiel mit dem Licht ermöglichen und eine Herausforderung für einen ästhetisch fixierten Benützer sind.
Die Grundformen mit denen Andrea Baumann arbeitet sind immer Halbkugeln und Zylinder, auch wenn sie eigens für Kunden etwas entwirft, wie zum Beispiel ein Set Champagnerbecher ganz in Gold. Kompliziert sind oft die kleinen Dinge wie etwa die Henkel bei den Mokkatassen oder der Griff der Kaffeekanne: bei diesen Dingen geht die Entwicklungsarbeit nicht selten in die Monate, die Form wird immer wieder verworfen, um Millimeter verändert, denn erstens soll man alles gut benützen können und zweitens ist für Baumann die Transparenz Ihrer Stücke von essentieller Bedeutung. Es ist „der Flirt mit dem Licht“, der unabdingbar notwendig ist, denn „Porzellan hat kein Dekor nötig, das Lichtspiel ist wichtig“.
Foto: Atelier Baumann